Vereinsgeschichte

Vom Verein für Naturkunde zu Cassel zur Nordhessischen Gesellschaft für Naturkunde und Naturwissenschaften

Die Nordhessische Gesellschaft für Naturkunde und Naturwissenschaften (NGNN) ist einer der sechs ältesten Naturkundevereine in Hessen. Den Verein gründeten 15 Personen am 18.4.1836. Zu den Pionieren des Vereins gehörten die Naturwissenschaftler Dr. Rudolph Amandus Philippi (1808-1904), Dr. Robert Wilhelm Bunsen (1811-1899), Dr. Louis Pfeiffer (1805-1877) und Eduard Sezekorn (1796-1869). Der jetzige Vereinsname besteht seit dem Jahr 2005.

In der Festschrift anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens des „Vereins für Naturkunde zu Cassel“ hat der damalige Direktor, Dr. Ernst Gerland, 1886 die Geschichte des Vereins zusammengestellt. Sie ist in den ersten zwölf Jahren durch eine stetige Aufwärtsentwicklung mit zahlreichen Veröffentlichungen aus den Fachgebieten Botanik, Zoologie, Paläontologie, Geologie und Mineralogie gekennzeichnet. Durch das Revolutionsjahr 1848 und die Folgen für das Kurfürstentum Hessen kam die Tätigkeit des Vereins fast zum Erliegen, wurde jedoch ab 1853 wieder fortgesetzt. Vereinsorgan waren ab 1837 die „Abhandlungen und Berichte des Vereins für Naturkunde zu Cassel“.

1883 erhielt das Naturkundemuseum Kassel die umfangreichen Sammlungen des Vereins. Durch den Schriften- und Gedankenaustausch mit 312 Vereinen, darunter 32 außereuropäischen, bekam der Verein zunehmend internationale Bedeutung. Die naturwissenschaftlichen Leistungen des Vereins für Naturkunde zu Cassel wurden in den Festschriften zum 50-jährigen (1886), zum 75-jährigen (1911) und zum 100-jährigen Bestehen (1936) dokumentiert.

Die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts als Reaktion auf ein starkes Bevölkerungswachstum und die industrielle Entwicklung in Deutschland aufgekommene Natur- und Heimatschutzbewegung hatte auch Einfluss auf die Arbeit des Vereins für Naturkunde. So wurde 1908 die „Förderung der Bestrebungen zur Pflege und Erhaltung von Naturdenkmälern“ in die Statuten des Vereins aufgenommen. Von 1904 bis 1931 prägte vor allem Prof. Dr. Bernhard Schaefer (1864-1931) als Geschäftsführer und Vorsitzender diese wichtige Phase der Vereinsarbeit. Er war zugleich ab 1908 Staatlicher Kommissar für Naturdenkmalpflege im Regierungsbezirk Kassel.

In der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft wurde zum 100-jährigen Bestehen 1936 eine neue Satzung beschlossen, die dem Verein nicht zur Ehre gereicht. In § 2 wurde festgelegt: „1. Nur Personen arischer Abstammung können Mitglied des Vereins werden. Auf die juristischen Personen, die dem Verein beitreten wollen, ist diese Bestimmung sinngemäß anzuwenden. 2. Die Leitung des Vereins erfolgt nach dem Führergrundsatz.“ Die Kriegsereignisse brachten die Vereinsarbeit erneut zum Erliegen. Durch den schweren Bombenangriff im Oktober 1943 gingen die Einrichtungen und Sammlungen des Ottoneums, die nicht in Bunkern geschützt waren sowie die Versammlungsstelle und große Teile der Bibliothek des Vereins verloren.

Im Jahr 1948 gab es auf Initiative von Hermann Schulz (1882-1970) einen Neuanfang in der Arbeit des Naturkundevereins durch Vorträge, Exkursionen und die Herausgabe von Abhandlungen und Berichten, die von 1954 bis 1970 erschienen. Das umfassendste Werk aus dieser Zeit ist die „Flora von Nordhessen“ von Dr. Arnold Grimme (1868-1958). Heinz Wiedemann (1920-2010) und seine Frau Anna-Marie begleiteten in der Nachkriegszeit mit vielen Funktionen über einen langen Zeitraum die Vereinsarbeit.

Durch die Gründung der Gesamthochschule Kassel (GHK), der heutigen Universität Kassel, im Jahr 1971, gab es auch im naturwissenschaftlichen Bildungsbereich eine Aufwärtsentwicklung. Naturwissenschaftler der Universität Kassel arbeiteten seitdem engagiert mit Naturschutzverbänden zusammen. Besonders hervorgehoben werden müssen in diesem Zusammenhang Prof. Dr. Helmut Freitag (*1932) und Prof Dr. Roland Hedewig (1936-2013).

1972 wurde die „Gesellschaft der Freunde des Naturkundemuseums im Ottoneum zu Kassel“ gegründet. Erster Vorsitzender wurde der Kasseler Arzt Dr. Heinz Friedrich Moog (1920-2010), Zweiter Vorsitzender Prof. Dr. Gerhard Follmann (*1930), der damalige Direktor des Naturkundemuseums. Dieser Verein schloss sich 1980 mit dem „Verein für Naturkunde“ als „Philippi-Gesellschaft zur Förderung der Naturwissenschaften“ zusammen. 1986 gab sie zum 150-jährigen Bestehen eine Festschrift heraus, in der die Geschichte des Vereins dargestellt wurde. Die Philippi-Gesellschaft unterstützte die Herausgabe der Zeitschrift Philippia des Naturkundemuseums der Stadt Kassel, die zweibändige „Flora des Kasseler Raumes“ (1988, 1990) sowie viele Projekte der Naturkunde und des Naturschutzes. Außerdem war sie Förderverein des Naturkundemuseums.

1975 gründete sich im Naturkundemuseum Kassel der „Naturschutzring Nordhessen“ (NRN) mit einer großen Zahl von Verbänden, die sich vor allem gemeinsam um praktischen Naturschutz in der Stadt Kassel und in allen Landkreisen Nordhessens bemühten. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind in der Schriftenreihe „Naturschutz in Nordhessen“ veröffentlicht, die der NRN von 1976 bis 1995 mit 15 Bänden herausgab. Ab 1996 gab der NRN das „Jahrbuch Naturschutz in Hessen“ heraus. Ab 2002 erschien die Buchreihe „Naturschutzgebiete in Hessen. Schützen – erleben – pflegen“. Die NGNN führt diese beiden Reihen weiter.

Die Verschmelzung der „Philippi-Gesellschaft“ mit dem „Naturschutzring Nordhessen“ zur „Nordhessischen Gesellschaft für Naturkunde und Naturwissenschaften“ entwickelte sich nach einer mehrjährigen engen Zusammenarbeit der Vorstände und einer gemeinsamen Geschäftsführung. Die rechtlichen Grundlagen für die Gründung der NGNN wurden 2005 geschaffen. Die Philippi-Gesellschaft unter der Leitung von Prof. Dr. Roland Hedewig und der Naturschutzring Nordhessen unter der Leitung von Lothar Nitsche (*1937) bereiteten mit den Vorständen und den Mitgliedern eine neue Satzung vor, die in mehreren Sitzungen und Rundschreiben erarbeitet und am 7. Juni 2005 beurkundet wurde. Eine Neufassung der Satzung wurde am 13. März 2023 verabschiedet.

(Aktualisierte und teilweise ergänzte Kurzfassung eines in der Festschrift von 2011 erschienenen Beitrages von Sieglinde und Lothar Nitsche)